Japanuary #2

Der Januar geht weiter, das Abarbeiten der Japan-Filme geht weiter und beides ergibt? Genau! Hier gibt’s den zweiten Bericht für den Japanuary. Dieses Mal habe ich mich für einen Anime-Klassiker und ein neueres Sozialdrama entschieden.

  • Kirschblüten und rote Bohnen

Ich nehme hier einfach mal das Fazit vorweg, welches ich direkt nach der Sichtung gefällt habe: „Das ist der japanischste Film aller Zeiten“. Was ich damit meine? Ganz einfach. Man nehme die mythologischen Einflüsse der Kultur, ein sozialkritisches Thema (am besten etwas mit „Alter“), schrullige Charaktere und eine extreme Überdosis Gefühle. Das Ganze lässt man dann knapp zwei Stunden seeehr langsam vor sich hin köcheln, bevor das fertige Produkt einem dann mit einem Schlag in die Magengrube serviert wird. Nicht ohne Grund benutze ich für diese Kritik eine Koch-Metapher, denn das ist eigentlich das vorliegende Thema. Es geht um einen kleinen Imbiss, in dem ein unzufriedener Koch „Dorayaki“ herstellt. Das sind übrigens kleine Pfannkuchen, die mit einer roten, süßen Bohnenpaste gefüllt werden. Eigentlich hat er nur wenige Kunden, eine davon ist ein Schulmädchen, mit der er in einer etwas merkwürdigen Verbindung steht. Eines Tages kommt eine ältere Dame vorbei und möchte eine Aushilfsstelle antreten. Erst wird sie vom Imbissleiter abgelehnt, aber ihre Bohnenfüllung kann dann doch so überzeugen, dass sie eingestellt wird. Ab diesem Tag geht es mit dem Imbiss bergauf, es entsteht eine schöne Freundschaft zwischen den drei Protagonisten und alles scheint perfekt. Dann jedoch kommt heraus, dass die alte Frau an Lepra leidet und in einem alten Isolationsheim lebt. Die Koch-Thematik ist also, ähnlich wie bei meinem Fazit, auch nur eine Metapher und davon gibt es mehr als genug. Es geht um die Liebe zur Natur, den Wert von Arbeit und dem Umgang mit den Alten und Kranken in der Gesellschaft. Themen, die in der japanischen Kultur eigentlich fest verankert sind, aber scheinbar in der Neuzeit nicht so ganz angekommen sind. Tatsächlich sind die Geschichte und Hintergründe sehr spannend. Ich mag es ja, wenn man als Zuschauer in die Story reingeworfen wird und die Charaktere sich erst im Laufe der Zeit öffnen. Auch die Schauspieler machen einen großartigen Job. Gerade Kirin Kiki („Shoplifters“) spielt die alte schrullige, aber vom Leben gezeichnete Dame, fantastisch. Ebenfalls kann die melancholische Stimmung überzeugen, welche selbst in den emotionalen Szenen nicht gebrochen wird. Auf der Contra-Seite steht die Inszenierung. Erstmal ist der Film unglaublich langsam erzählt, die Erzählung bleibt sogar oftmals minutenlang stehen. Diese Stille wird durch kulturelle Mono- bzw. Dialoge gefüllt, welche man als Außenstehender kaum nachvollziehen kann. Ich meine, es ist kaum vorstellbar, dass japanische Schüler, Erwachsene und Greise so eloquent und mythisch miteinander reden. So bleibt ein viel zu langsamer Film, der japanischer kaum sein kann. Wer damit bei normalen Filmen aus Fernost schon nichts anfangen kann, sollte hier die Finger weg lassen. Allen anderen kann ich „Kirschblüten und rote Bohnen“ nur empfehlen. Der Film gibt einen guten Einblick in die japanische Kultur im 21. Jahrhundert, jedoch mit einer Thematik, die universell anwendbar ist.

Kirschblüten und rote Bohnen

 

  • Nausicaä aus dem Tal der Winde

Ich habe ja schon ein paar Filme von Studio Ghibli und Hayao Miyazaki gesehen, aber noch nie einen der aller ersten. Die Geschichte vereinte aber schon damals die Elemente, welche spätere Filme ausgemacht haben. Es geht um die postapokalyptische Welt. Der Boden ist verseucht und eine riesige Fäulnis, begleitet von mutierten Insekten, breitet sich aus. Unsere Protagonistin Nausicaä, eine Prinzessin aus einem kleinen Reich im Tal der Winde, hat es geschafft, das Verhalten der Insekten-Monster zu studieren und versucht die Geheimnisse der Fäulnis aufzudecken. Gleichzeitig wird ihr Land durch einen Angriff eines anderen Staates bedroht. In diesem anderen Staat wiederum herrscht auch eine Revolte gegen die Unterdrücker. So haben wir also einen Vierkampf: Das Tal der Winde vs. Die Besatzer vs. Die Revolte vs. Die Monster. Klingt kompliziert, ist es aber nicht wirklich. Der Film verzichtet relativ oft darauf, uns alle Beziehungen bis ins Kleinste zu erzählen. Da werden ganze Hintergrundgeschichten mit einem Nebensatz abgehandelt, der Rest bleibt uns verborgen. Dadurch fühlt sich die erschaffene Welt so wunderbar echt an und versprüht eine gewaltige immersive Wirkung. Auch wenn es nicht erklärt wird, habe ich immer daran geglaubt, dass alle Protagonisten, alle Länder und selbst die Katastrophe der Fäulnis eine weite Hintergrundgeschichte haben. Die größte Schwäche würde ich noch bei der Story ausmachen. Eigentlich begleiten wir nur Nausicaä bei ihrer Reise, welche in ihrem Tal beginnt und auch dort endet. Die Geschichte wird mit einem hohen Tempo ab dem Mittelteil erzählt, so dass kaum ein Nebencharakter wirklich zur Geltung kommt. Dafür lernen wir die Prinzessin selber kennen, welche zwar für meinen Geschmack zu „perfekt“ geraten ist, aber immerhin im Selbstzweifel zwischen den Konfliktlinien steht. Wie oben schon gesagt, werden auch hier klassische Ghibli-Themen behandelt, wobei ganz klar die Natur an oberster Stelle steht. Wie hat der Mensch mit seiner Umwelt umzugehen und wie zerstören Krieg und Machtvorstellungen unsere Welt? Themen, die 1984 genauso aktuell waren wie sie es heute noch sind. Daher besitzt der Film eine unfreiwillige Aktualität, auch wenn die über zwei Stunden schon besser in den Kalten Krieg passen. Übrigens: Humor sucht man im Film eher vergeblich. Die Macher nehmen ihre Welt und die Protagonisten Ernst und somit wirken die Auswirkungen auf den Zuschauer noch intensiver. „Nausicaä“ ist für mich nicht der beste Film des japanischen Ausnahme-Studios, aber trotzdem ein sehr gelungener Streifen. Das World-Building ist grandios, die Charaktere etwas eindimensional, aber solide geschrieben, die Animationen auf einem guten Level und die übergeordneten Themen sind es auch 35 Jahre später noch wert erzählt zu werden. Den Film würde ich also eigentlich allen empfehlen, nur Insekten-Hasser sollten vielleicht erst Probe schauen.

Nausicaä

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