Review: Avengers – Endgame

Erscheinungsjahr: 2019

Herkunft: U.S.A.

Regie: Anthony und Joe Russo

Genre: Superhelden / Action / Comedy

Ich sitze mitten im ausverkauften Kinosaal und „Endgame“ geht seit etwa 20 Minuten. An diesem Moment gab es für mich Hoffnung. Geht das MCU doch einen anderen Weg? Ich sag mal so: Lieber wäre ich ohne Erwartungen gewesen, denn so fiel ich doppelt hart auf dem Boden der Realität.

  • Marvel bleibt Marvel, wie es kämpft und lacht

Spoilerfreier Teil! Wie gerne hätte ich im zweiten Drittel des Films den Zeit-Stein gehabt. Ich wäre ca. eine Stunde in die Vergangenheit gereist und hätte mir selber eine Ohrfeige gegeben, dafür dass ich gedacht habe, Marvel traut sich mit „Endgame“ etwas. Über drei Stunden sieht man hier die vielleicht größte, verfilmte Fanfiction aller Zeiten. Jede Szene, jede Entwicklung der Story, jeder Witz und jeder Spruch ist reinster Fanservice. In Maßen eingesetzt kann so etwas auch Spaß machen, doch „Endgame“ baut nur auf diesem Faktor auf. Deswegen muss ich dazu sagen, dass diese Kritik sich nicht an die richtet, die „Marvel“ bedingungslos lieben. Für alle anderen zähle ich mal auf, was mir so gar nicht gefallen hat: Übermäßiger Einsatz von Humor und Selbstreferenzen (auch in den schlimmsten Situationen), wichtige Veränderungen und Entwicklungen werden mit dem Zaunpfahl angekündigt, es wird immer wieder das Tempo rausgenommen um die Zeit für Fan-Service zu nutzen und wichtige, altgediente Charaktere werden zu Witzfiguren degradiert, während übermächtige Protagonisten auch mal so aus dem Nichts erscheinen. Diese Kritikpunkte könnte ich aber auch über fast jeden anderen Marvel-Film schreiben, so auch letztes Jahr bei „Infinity War“. Es sind keine alleinigen Probleme von „Endgame“, sondern vom (fast) gesamten MCU. Nur in den ersten ca. 20 Minuten geht der Film einen anderen Weg, sogar abseits der „Marvel-Formel“. Diese Minuten sind die stärksten im gesamten Film. Humor wird pointiert und kurz eingesetzt und die Erwartungen werden ohne große Vorankündigen gebrochen. Die zweieinhalb Stunden danach ist es wieder Marvel, wie man es hasst oder liebt. Es entstehen zwar noch ein paar gute Momente und das ein oder andere Mal musste ich auch lachen, aber am Ende bleibt mir nur zu sagen, das „Endgame“ so ist wie das gesamte MCU. Wer damit schon immer seine Probleme hatte, wird bei dem Abschluss auch nicht glücklich. Jedoch muss ich auch zugeben, dass gerade dieser „Abschluss“ rund und konsequent wirkt. Die letzten Minuten (inkl. Abspann) fühlen sich wirklich wie die letzte Seite in einem Buch an. Dazu aber mehr im zweiten Abschnitt…

  • Ohne Rücksicht auf Verluste:

Achtung, ab hier gibt es Spoiler! Bevor ich jetzt alles genau aufzähle, was mir im Kino auf die Nerven ging, möchte ich nochmal auf die positiven Aspekte zurückkommen. Wie ihr unten an der Bewertung sehen könnt, fand ich „Endgame“ ja nicht komplett schlecht, sondern eher unteres Mittelmaß. So hat mich der Anfang wirklich gepackt. Den schnellen Tod und den anschließenden Zeitsprung habe ich wirklich nicht kommen gesehen. In diesen Momenten ging es mal wieder um die Superhelden an sich, die trotz ihrer Kräfte tatenlos zusehen mussten, wie die Hälfte der Bevölkerung starb. In den wenigen Momenten ging es mal nicht um die Rettung der Menschheit, sondern um echte Gefühle wie Schuld und Trauer. Wenn dort mal ein kleiner Gag vorkam („Schlaf jetzt oder ich verkaufe alle deine Spielsachen“), dann passte es in einem gesunden Maß. Auch visuell gab es ab und an Überraschungen, wie etwa die Rekrutierung von „Hawkeye“ in Tokio. Dazu kam, wie schon gesagt, ein abgerundetes Ende. Gerade der Nicht-Tod von Captain Amerika hat mir gefallen und war ein versöhnlicher Abschied für den Charakter. Aber genug der netten Kleinigkeiten, was hat mir denn so gar nicht gefallen. Von den Plotholes in der Geschichte fange ich jetzt allerdings nicht an. So etwas passiert automatisch, wenn man Zeitreisen einführt. So passieren die Ereignisse aus „Infinity War“ gar nicht, wenn Thanos tot ist oder wenn Captain Amerika ein normales Leben führt. Viel mehr haben mich erzwungene Szenen gestört. Alle weiblichen Helden auf einem Bild ist vielleicht ganz nett, aber hier ging es eher darum zu zeigen, wie viele starke Frauenfiguren doch Marvel hat und das bitte so episch wie möglich. Gerade eine der Frauenfiguren hat mich stark genervt: Captain „Deus Ex Machina“ Marvel. Die ist vom Charakter her nicht nur ziemlich arrogant, sondern taucht auch nur auf, wenn es wirklich knapp wird. So eine Figur ist natürlich praktisch für jeden Autor, der bei einem gewissen Punkt nicht mehr weiter weiß. Ein anderer Protagonist wurde dafür deutlich abgeschwächt und zu Witzfigur abgestuft. Was die Macher aus Thor gemacht haben, nur um noch ein paar Witze mehr reinzubekommen, hat mich wirklich enttäuscht. Zum Abschluss noch der Tod von Tony Stark. Dieser war natürlich nicht überraschend, immerhin hat er die Position des Mentors, er hat mit am meisten zu verlieren und sagt ungefähr 20 mal in diesem Film, dass er doch bitte überleben will. Sein Todesurteil fiel für mich schon bei der ersten Szene mit seiner Tochter. Immerhin haben sich die Macher bei der Beerdigung jeglichen Humor verkniffen. Muss ihnen schwer gefallen sein, denn bei der epischen Endschlacht hatten sie kein Problem damit noch möglichst viele dumme Gags einzubauen. So auch bei jeder anderen Szene, die halbwegs Emotionalität hätten aufbauen können. 90% der Momente mit Spannung oder Emotionen können im MCU keine 5 Minuten gezeigt werden, ohne irgendeinen Witz zu machen.

  • Fazit: Lieber ein Ende mit Schrecken, als…

Der Abschluss von über 20 Filmen ist für die Fans gedacht. „Endgame“ bietet Fanservice in Hülle und Fülle, auch an den unpassendsten Stellen und wirkt am Ende sehr rund. Wer schon immer etwas am MCU zu kritisieren hatte, bekommt hier die volle Packung der Kritikpunkte in einem viel zu langen Film serviert. Ich musste am Ende für mich endgültig einsehen: So wie Marvel und Disney aktuell ihre Filme machen, ist es einfach nichts für mich. Ich kann nicht zwei Minuten durchlachen und dann wieder alles ernst nehmen, wenn ein Charakter nach fünf blöden Gags wieder bedrohlich in die Kamera guckt. Ich habe kein Spaß mit Entwicklungen und Wendungen, wenn sie mir Stunden vorher ins Hirn gedrückt werden. Falls es mal wieder einen MCU-Film gibt, der neue Wege geht, dann sagt mir gerne Bescheid. Bis dahin schließe ich das Kapitel Marvel für mich hiermit ab. „Endgame“ zeigt es nochmal in aller Deutlichkeit: Das Thema Superhelden bietet so viel, genutzt wird davon aber nichts, denn Experimente könnten Teile der Fans verunsichern. Mit Mittelmaß und immer mehr vom Selben lässt sich einfach besser Geld verdienen.

AvengersEndgame

16 Comments

  1. Ich freue mich auch schon auf den nächsten Podcast, da gerade Benni sehr begeistert schien, du deutlich kritischer bist und Christian ja irgendwie dazwischen. Ich hoffe auch, dass ihr über A Simple Favor spricht, aber das ist ein anderes Thema.
    Zu den Film sei gesagt, ich will mich nicht verpflichten lassen zwanzig Filme zu sehen, nur um dieses Abschlussduo in Gänze zu verstehen. Da ich nur eine handvoll Marvelfilme richtig gut fand, eine weitere handvoll ganz ok bis gut und den Rest eher schwach und ein paar gar nicht erst gesehen habe, sah ich nicht ein für diesen Film Überlängenzuschlag zu bezahlen und Wochen vorher Tickets zu kaufen.
    Zum Film selbst kann ich dennoch was sagen, da ich es mir nicht nehmen ließ eine Prognose aufzustellen, was der Film macht, habe ich mir die sehr detaillierte Inhaltsangabe auf Wikipedia durchgelesen und Iron Mans Schicksal habe ich genauso wie das Captain America genauso vorhergesehen, genauso wie die Zeitreisenummer. Innovativ ist der Film somit nicht und ich würde wetten, dass Marvel mit dem More of the Same höchstens zwei Jahre noch Gewinne macht zumindestens in westlichen Teil der Welt.

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    1. A Simple Favor besprechen wir tatsächlich ein paar Minuten im aktuellen Podcast (auf Spotify & Co. bereits oben).
      Avengers haben wir alle erst nach Redaktionsschluss gesehen, weswegen wir dem im nächsten Podcast in zwei Wochen einiges an Zeit widmen werden. Und da könnte es durchaus mal kontrovers zur Sache gehen, da ich sehr gerne für den Film streiten werde (und das obwohl ich davor noch nicht einmal eine handvoll Marvel-Filme richtig gut fand).

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      1. Da muss ich ja überlegen, ob ich mir den direkt antue. Hatte Iron Man auf Prime angefangen, wurde jedoch durch ein Telefonat mit meinem besten Freund unterbrochen.
        Kontrovers finde ich gut, ich glaube ich würde gerade kontrovers mit Christian über Shazam diskutieren.

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        1. Im Gegensatz zum ersten Iron Man bieten wir einen erstklassigen Gegenspieler. Derer sogar zwei, wenn es um meinen Hausaufgabenfilm geht.
          Hast du dir denn The Man From Earth angeschaut? Hattest du dir ja mal überlegt.

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          1. Hatte es vor, egal was die beiden anderen sagen, gucke ich ihn mir an, aber ich hab gerade eine seltsame Filmauswahl. Hab Watchlists auf Netflix und Amazon und noch Filme auf der Festplatte und als Disk und guck dann doch spontan irgendwas was mir gerade auf den Schirm fällt. Sobald ich The Man from Earth gesehen habe, werde ich es auf Letterboxd vermerken, ich benutze ja regelmäßig die Diaryfunktion dort.

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            1. Keine Eile. Kenne das mit der ellenlangen Liste nur zu gut. Und die ist seit der neuesten Podcast-Folge um viele Filme größer geworden. Und mittlerweile habe ich auch das Lesen wieder für mich entdeckt. Zu wenig Zeit…

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            2. Lesen tue ich inzwischen fast gar nicht mehr, wenn überhaupt dann Sachbücher. Hab auch so Phasen, wo ich in drei Tagen acht Filme gucke und dann vier, fünf Tage gar nichts.
              Wollte mir demnächst wieder ne Playstation zulegen, dann geht dafür auch wieder Zeit drauf. Höre eure neue Folge und bin sehr amüsiert. Werde dann unter den zugehörigen Artikel einen langen Kommentar lassen

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    2. Ich lag mit meiner Vorabeinschätzung auch nicht so falsch. Hab auf Paralelwelten anstatt Zeitreise geschätzt, aber sonst war das Drehbuch wirklich nicht schwer voraus zu sehen. Der gute Ansatz der ersten Minuten wurde ja dann keine Beachtung mehr geschenkt…

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      1. Ich hab einen Kumpel mit dem ich mir den ein oder anderen Superheldenfilm im Kino angesehen habe. Bin gespannt was er dazu sagt, ich werd mir den irgendwann mal angucken, wenn ich nochmal die Avengersfilme gesehen habe.

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  2. Kann deinem Eindruck quasi vollständig zustimmen! War echt das letzte Mal, dass ich dafür soviel Geld hab liegen lassen, die 5 Stunden der beiden Abschlussteile bekomm ich leider nicht mehr zurück…
    Und mein Gott bin ich froh, dass ich nicht auch noch in Captain Marvel reingegangen bin 😀 Die war ja nicht nur unsympathisch und overpowered, sondern auch vollkommen unnötig in diesem Film. Hat paar Szenen am Anfang, nur um dann für über 2 Stunden zu verschwinden und am Ende einmal übers Schlachtfeld zu fliegen. Schon etwas lächerlich

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    1. Und der arme Thor… nicht nur, dass der Fat-Suit echt nicht gut aussah, die Figur haben sie mit Vollgas gegen die Wand gefahren.

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