Ver-piled #7: Aus dem Nichts

Pile_AusdemNichts

Erscheinungsjahr: 2017

Herkunft: Deutschland

Regie: Fatih Akin

Besetzung: Diane Kruger, Numan Acar, Denis Moschitto

Dieser Film stand schon länger ganz weit oben auf meinem „Pile of Shame“. Der diesjährige „Golden Globe“-Gewinner als bester fremdsprachiger Film, hat letztes Jahr für ziemlich viel Aufsehen gesorgt. Ohne Frage: Es ist der richtige Film zur richtigen Zeit. Aber ist es auch ein richtig guter Film geworden?

  • Fühl, du Sau!

In den letzten Jahren gab es kaum ein größeres Thema in unserem Land als die Anschläge des „NSU“. Zugegeben, eigentlich kamen die Anschläge nur auf die Tagesordnung, wenn gerade mal nicht über Flüchtlinge berichtet wurde. Umso wichtiger ist es, dass das Thema nicht in einem sonntäglichen Fernsehfilm aufgearbeitet wurden ist. Regisseur Fatih Akin verarbeitete die Taten von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt (und weiteren?) in diesem Drama, bei dem die junge Mutter Katja ihren Sohn und kurdischen Ehemann durch einen rechtsextremen Anschlag verliert. Dabei geht der Film auch direkt in die Vollen. Kurz die Beteiligten charakterisiert, etwas Smalltalk und Zack! Wir sehen ein zerstörtes Haus und eine gebrochene Diane Kruger. Der Titel „Aus dem Nichts“ hätte nicht treffender gewählt werden können. Die nachfolgenden Minuten sind unterteilt in den Umgang der Familie mit dem Anschlag, dem Gerichtsverfahren und der Zeit nach dem Urteil. Immer im Mittelpunkt: Die Protagonistin Katja, welche von Diana Kruger zu jeder Sekunde perfekt verkörpert wird. Auch die Nebendarsteller können überzeugen. Die verständnislose Mutter, der bemühte Hauptkommissar, die führsorgliche beste Freundin, der übermotivierte Anwalt und natürlich die gehirnamputierten Attentäter – Auf Darsteller-Ebene gibt es hier wirklich nichts zu meckern. Das ist auch ungemein wichtig, immerhin lebt „Aus dem Nichts“ größtenteils von den Gefühlen. Dabei trägt der Film gerade am Anfang sehr dick auf, so dass man schon kurz davor ist „typisch deutsch“ zu rufen. Zum Glück weichen die fast schon schmalzigen Szenen später den gezielten emotionalen Ausbrüchen.

  • Dreimal Top und Flop

Wie schon beschrieben, ist der Film in drei Abschnitte unterteilt. Alle haben dabei große Stärken und ebenso gewaltige Schwächen. Im ersten Teil stechen besonders die Familienszenen heraus. Es ist unfassbar interessant, wie solche Gesprächsrunden ihr Eigenleben entwickeln, wenn z.B. die Mutter dem toten Ehemann noch Vorwürfe macht. Leider wird das Ganze unnötig unterbrochen. Natürlich sitzt Frau Kruger irgendwann in der Badewanne mit aufgeschlitzten Pulsadern. Der Zuschauer soll halt nochmal etwas mehr leiden! Sorry, hat bei mir leider wenig funktioniert. Der zweite Teil ist für mich der Höhepunkt im Film. Zwar gibt es auch hier den einen oder anderen Ausreißer, aber allgemein wird der Umgang mit dem Gerichtsverfahren wirklich toll dargestellt. Da trifft die pure Emotionalität auf die vollkommende Sachlichkeit der deutschen Justiz. Diese Szenen (besonders das Ende des zweiten Teils) waren teilweise schwieriger mit anzusehen, als jeder emotionale Ausbruch. Besonders großartig war dabei der Anwalt, welcher immer wieder zwischen der Freundschaft (oder mehr?) zu seiner Mandantin und dem persönlichen Durst nach Rache schwankt. Den dritten Teil möchte hier nicht spoilern, aber für mich hätte es das gesamte letzte Drittel nicht gebraucht. Auch da gibt es zwar gute und moralisch schwierige Szenen, jedoch kommt es mir so vor, als hätten die Macher nicht genau gewusst, wohin ihr Film am Ende hinsteuert.

  • Meine Meinung

Darsteller sind also alle Top, die Story besitzt auch einige Höhepunkte und mal ganz nebenbei, gibt es auch beim gesamten Produktionsdesign nichts zu meckern. Besonders gut wurde das deutsche Wetter im Herbst dargestellt: Es regnet eigentlich dauernd. Jetzt komme ich aber zu meinem größten Problem mit dem Film. Eine Tatsache hat aus dem wirklich guten Streifen nur einen mittelmäßigen-unterhaltsamen Film gemacht. Es geht um die Meinung(en) von „Aus dem Nichts“. Eigentlich hat man als Filmemacher zwei Möglichkeiten, wenn es um solche Themen wie hier geht: Entweder man überlässt dem Zuschauer die Antwort auf die moralischen Fragen oder man gibt selbst seine eigene Meinung wieder. Fatih Akin versucht beides. Hier wird eigentlich alles kritisiert. Der Umgang in der Gesellschaft mit rechtem Terror, die Aufarbeitung der Medien, die Mühlen der Justiz und noch vieles mehr. Bei allen Themen gibt der Film eine Meinungsrichtung vor, nur um danach die Frage an den Zuschauer weiter zu geben. Ganz nach dem Motto: „Wir finden das ja blöd… oder doch nicht… entscheidet doch einfach selbst!“  Besonders das Ende macht diesen Umstand deutlich. Für mich hätten die Meinungen der Macher deutlich selbstbewusster herausragen können. Natürlich könnte man dann wieder vom „erhobenen Zeigefinger“ reden, aber es gibt auch meinungsstarke Filme, die nicht von oben herab mit dem Zuschauer interagieren. Die zweite Möglichkeit wäre mehr Neutralität. Man darf als Zuseher also selber entscheiden und der Film drängt in keine Richtung. Gerade bei diesem Thema halte ich einen solchen Ansatz für falsch. Der Film schwankt zwischen diesen beiden Optionen hin und her. Das Ende ist moralisch offen, während Justiz und Medien erst hart kritisiert werden, dann jedoch eine klare Meinung fehlt. Bei einem Film über Moral und Gesellschaft hätte ich mir mehr Mut bzw. Selbstbewusstsein gewünscht. Damit lässt „Aus dem Nichts“ viel Potenzial liegen und es bleiben ein paar Höhepunkte im Kopf, mehr allerdings auch nicht.

AusdemNIchts

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